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Gemeinnütziger Wohnungsbau 2: die Schweiz als Vorbild?

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Von Lorenz Hahnheiser

In meiner vorigen Kolumne schrieb ich darüber, dass der gemeinnützige Wohnungsbau in Deutschland wieder gebraucht wird. Anders als hierzulande steht die Förderung gemeinnützigen Wohnens in der Schweizer Verfassung. Auf dieser Grundlage haben die Kantone und Städte eigene Regulierungen und Ziele beschlossen. Bis ins Jahr 2050 soll der Anteil gemeinnütziger Wohnungen in Zürich beispielsweise einen Drittel der Mietwohnungen betragen. So konnten eine lebendige gemeinnützige Bau-Szene und viele bemerkenswerte Projekte entstehen.

Niedrige Miete statt Rendite

Zum Beispiel das Projekt Kalkbreite (der gleichnamigen Genossenschaft) in Zürich: eine Mischung aus Wohnen, Gemeinschaft, Gewerbe und Betriebshof des öffentlichen Nahverkehrs. Die Wohnungen werden zur sogenannten Kostenmiete vergeben: Die Zahlungen müssen lediglich die Erstellungs- sowie die laufenden Unterhaltskosten decken und eine Rücklage für Sanierungen bilden. Davor steht jedoch noch eine finanzielle Hürde. Wie bei solch einer Genossenschaft üblich, muss man zunächst Mitglied werden, bevor man eine Wohnung bekommt. In der Kalkbreite bedeutet das: Mitglied jede:r werden, der oder die mindestens einen Anteilschein in der Höhe von 1.000 Schweizer Franken erwirbt sowie die Eintrittsgebühr von 200 Schweizer Franken entrichtet.

Gegenüber den Mieten renditenorientierter Investoren sind sie hier beim gemeinnützigen Wohnungsbau gering. Die Hausgemeinschaft trägt zum Beispiel eine Cafeteria, eine Pension auch für Gäste der Bewohner:innen und einen Spielplatz im Innenhof. Eine Vermietungskommission kuratiert die Nachbarschaft. Im Sinne einer gesunden Durchmischung von Alter, Geschlecht, Herkunft, Bildung, Vermögen und weiteren Kriterien wählt die Kommission drei Kandidat:innen. Unter diesen wählen die direkten Nachbar:innen ihren Favoriten für die Hausgemeinschaft.

Vorrang bei Finanzierung und Grundstücksvergabe

Das Projekt wurde frei aus unterschiedlichen Hypotheken und Eigenkapital finanziert. 30 Prozent stammten aus einer Anleihe der EGW, ein Instrument zur Finanzierung von Liegenschaften gemeinnütziger Wohnbauträger. Salopp gesagt ist das eine Bank für gemeinnützigen Wohnungsbau, deren Anleihen durch Bürgschaften des Bundes abgesichert sind. Obwohl nur zehn Prozent aus Eigenmitteln kamen, wurden dem Projekt die Mittel zugesprochen. Außerdem wurde Züricher Boden im „Baurecht“ (vergleichbar mit Erbpacht) zur Verfügung gestellt – eben weil es ein gemeinnütziger Bau ist.

Wenig Wohneigentum in der Schweiz

Gemeinnütziger Wohnungsbau ist in der Schweiz ein etabliertes Instrument, um die Probleme auf dem Wohnungsmarkt anzugehen: „Wir haben erkannt, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt und ‚der freie Markt‘ das allein ganz sicher nicht richtet. Im Unterschied zu Deutschland haben wir in der Schweiz eine Altersvorsorge, die nicht auf Wohneigentum basiert: ‚Wohnen zur Miete‘ ist gesellschaftsfähig. Darum ist der Anteil an Wohneigentum geringer als in Nachbarländern“, erklärt Sabine Wolf, Stadtplanerin und ehemaliges Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Kalkbreite. „Zudem ist die Kooperation zwischen Städten, Gemeinden und gemeinnützigen Bauträger:innen inzwischen erprobte Praxis und es besteht Vertrauen in die Instrumente des gemeinnützigen Wohnungsbaus. Dazu gehören zum Beispiel Finanzierungshilfen, Landabgaben im „Baurecht“ und kommunale Mitbestimmung, was auf dem Land entsteht.“

Genossenschaften bringen Vielfalt in den Wohnungsbau

Der gemeinnützige Wohnungsbau kann einerseits durch Stiftungen, zum Teil mit städtischer Beteiligung oder durch Genossenschaften realisiert werden. Die genossenschaftliche Landschaft ist breit – von konservativen bis innovativen, von jungen bis alten, von städtischen bis ländlichen. Auch die Kalkbreite wurde genossenschaftlich organisiert.

„So kann sich eine Gruppe von Interessierten zusammentun und gemeinsam für den konkreten Ort eine Vision entwickeln. Mithilfe von partizipativen Prozessen können beispielsweise neue Wohnformen erarbeitet werden, die die tatsächlich vorhandenen lokalen Bedürfnisse treffen“, sagt Sabine Wolf und führt aus: „In der Schweiz haben wir inzwischen sehr professionelle gemeinnützige Genossenschaften und einen etablierten Verband ‚Wohnbaugenossenschaften Schweiz‘. Der unterstützt Kommunen zum Beispiel bei der Landakquise oder bei Konzeptausschreibungen für das Baurecht.“

Mehr Mitbestimmung, je nach Organisationsform

Vor allem zwei Formen von Genossenschaften haben sich in der Schweiz etabliert. Unternehmer- und Mitgliedergenossenschaften. Erstere sind Zusammenschlüsse von Bauunternehmer:innen, die gemeinsam Wohnbauprojekte realisieren und später auch den Betrieb managen. Die Bewohner:innen können hier nicht Mitglieder werden, sondern nur die Unternehmen. Bei Zweiteren sind die Bewohner:innen und mitunter auch weitere Menschen solidarische Mitglieder. Über ihre Anteilsscheine sind sie zugleich auch Miteigentümer:innen. Sie sind also nicht nur Mieter:innen, sondern bestimmen mit.

So konnte im gemeinnützigen Wohnungsbau eine Vielfalt entstehen und die wird nun auch in Deutschland eingefordert. Darüber, wie die neue Wohngemeinnützigkeit hier eingeführt werden soll, schreibe ich in meiner nächsten Kolumne.


Lorenz Hahnheiser hat sein Bachelor-Architektur Studium an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen, nutzt die Zeit vor dem Master für erste Bauerfahrungen und engagiert sich bei der Nachwuchsorganisation nexture+.

Die Nachwuchs-Kolumnen des DAB schreibt ein junges Team, weitere Autor:innen sind Johanna Lentzkow, Fabian P. Dahinten und Luisa Richter.

Der Beitrag Gemeinnütziger Wohnungsbau 2: die Schweiz als Vorbild? erschien zuerst auf DABonline | Deutsches Architektenblatt.


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